Weichen

Definition:

Weichen sind Oberbaukonstruktionen, die Schienenfahrzeugen den Übergang von einem Gleis auf ein anderes ohne Unterbrechung der Fahrt ermöglichen.

Bezeichnung von Weichen

Die Weichenbezeichnung erfolgt nach einem festgelegten System, welches folgenden Aufbau hat:.

Weichenart Schienen-
profil
Radius Abzweig-
winkel
Abzweig-
richtung
Zungen-
bauart
Schwellen-
art
EW 49 - 190 - 1:9 r Fsch (H)
Einfache
Weiche
Schienenform
S 49
Radius der Abzweigung 190 m auf Gleismitte bezogen Neigung der Abzweigung 1:9 Abzweigung rechts Federschienen-
zunge
Holzschwelle

Die einzelnen Bezeichnungen des Schemas haben folgende Bedeutung:

Weichenart

Zuerst wird angegeben, um welchen Weichentyp es sich handelt. Kreuzungen und Kreuzungsweichen werden dabei ebenfalls den Weichen zugerechnet. Die Abkürzungen der Weichenarten bedeuten:

EW - Einfache Weiche
DW - Doppelweiche
ABW - Außenbogenweiche
IBW - Innenbogenweiche
Kr - Kreuzung
Kr - Bogenkreuzung

EKW - Einfache Kreuzungsweiche
DKW - Doppelte Kreuzungsweiche
EIBKW - Einfache Innenbogen-Kreuzungsweiche
EABKW - Einfache Außenbogen-Kreuzungsweiche
DBKW - Doppelte Bogenkreuzungsweiche
DIBKW - Doppelte Innenbogen-Kreuzungsweiche

Schienenprofil

Das Schienenprofil, aus dem die Weiche gefertigt ist, wird an der zweiten Stelle der Weichenbezeichnung angegeben. Aus den weit über 100 verschiedenen Profilen, die, historisch gewachsen, bei den deutschen Bahnverwaltungen Verwendung fanden, wurden für den Weichenbau in jüngerer Vergangenheit nur eine handvoll herangezogen. Durch den wachsenden Verkehr und die stetig steigenden Achslasten wurden die Profile im Laufe der Zeit auch immer schwerer.

folgenden Profile waren / sind üblich:

Kurzbezeichnung Bezeichnung / Einsatzgebiet Masse Abkürzung
5 Form 5, preußisch und Privatbahnen 24,43 kg/m (S24)
6d Form 6, preußisch und Privatbahnen 33,47 kg/m (S33)
IX Form IX, Bayern 34,87 kg/m  
129 Form 129, Baden    
D Form D, Württemberg    
V Form V, Sachsen 34,4 kg/m  
8a Form 8, preußisch und Privatbahnen 41,38 kg/m (S41)
8a Form 8, preußisch und Privatbahnen 41,38 kg/m (S41)
X Form X, Bayern 43,8 kg/m  
140 Form 140, Baden, Pfalz und DRG 43,8 kg/m  
E Form E, Württemberg 43,8 kg/m  
VI Form VI, Sachsen    
49 S49, DRG, DB, DR, Privatbahnen 49 kg/m (S49)
54 S54, DB, seit 1991 auch DR 54 kg/m (S54)
60 UIC60, DB, seit 1991 auch DR 60 kg/m  
65 R65, DR 65 kg/m (R65)

Die erste Gruppe umfaßt Weichen der Länderbahnen aus relativ leichten Profilen (ca. 34 kg/m). Weichen aus diesem Profil sind kaum noch im Einsatz, lediglich die Form 6d und gelegentlich sogar Form 5 finden sich noch recht häufig bei diversen Privatbahnen.

Die zweite Gruppe umfaßt Länderbahnweichen der letzten Generation aus Profilen von etwa 41 - 43 kg/m Masse. Die süddeutschen Bahnverwaltungen hatten dabei schon eine gewisse Vereinheitlichung erzielt, Bayerns Form X, Württembergs Form E und Badens Form 140 sind praktisch gleich. Die DRG strebte eine weitere Rationalisierung an und schuf 1935 eine neue Generation von Weichen aus dem Profil 140, die sogenannten Iol-Weichen (so genannt nach Ihren Zeichnungsnummern), die der Vereinheitlichung der süddeutschen Weichenlandschaft dienten. Solche Weichen sind auch heute noch relativ häufig zu finden, z.B. besteht der Bahnhof Lahr komplett aus dieser Bauart. Die preußischen Weichen der Form 8a waren in so großer Zahl vorhanden, dass sie weiter gefertigt und repariert wurden - die DB stellte die Unterhaltung preußischer Weichen erst 1976 ein.

Die letzte Gruppe umfaßt die modernen Profile. Die S-Bezeichnung entstammen der DIN 5902, die nachstehende Zahl gibt die ungefähre Masse in kg/m an. Die Weichen der Bauart S49 wurden 1929 von der DRG eingeführt, die Bundesbahn baute sie ab 1984 nicht mehr neu ein, die DR jedoch auch heute noch. Abgelöst wurde die S49-Weiche bei der DB durch die S54-Bauart. S49 und S54 unterscheiden sich nur durch die Dicke des Steges, Schienenhöhe, Fuß- und Kopfbreite sind gleich, daher sind Kombination von Weichenteilen aus S49- und S54-Profilen möglich und kommen durchaus vor. Auf besonders belasteten Strecken wird das Profil UIC60 verwendet, das, wie die Bezeichnung schon vermuten läßt, ein westeuropäisches Einheitsprofil ist. Diese Weichen gibt es seit etwa 1960. Das osteuropäische Pendant zum UIC-60-Profil ist das R65, aus ihm wurden die schweren Weichen der DR gefertigt. Dieses Profil steht der DR heute nicht mehr zur Verfügung, so dass sie ausfallende Weichen durch UIC60-Bauarten der DB ersetzt.

Heute sind alle Profile bis S49 in der DIN 5901 zusammengefasst, die DIN 5902 enthät heute die Laschen. Die schweren Profile sind nicht mehr in der nationalen Norm enthalten, da sie auf europäischer Ebene spezifiziert werden.

Die Privatbahnen, genauer: alle privaten Eisenbahnen, also auch Hafenbahnen, Industrieanlagen und schlichte Gleisanschlüsse, verwendeten in der Regel Weichen aus Profilen nach preußischer Norm. Das ist bis heute so, so dass sich Weichen aus den Profilen 6d und 8a auch funkelnagelneu finden lassen, und sie entsprechen hinsichtlich ihrer sonstigen Merkmale wie z.B. Geometrie und Schwellenlage bis heute den preußischen Zeichnungen. Dies ist auch der Grund, weshalb die preußischen Profile mehr oder weniger baugleich in die DIN 5902 übernommen wurden. Für stärker belastete Strecken werden natürlich auch Weichen aus S49-Profil oder noch schwereren Profilen für private Kunden gebaut. Auch für Privatbahnweichen gibt es eine neuere Norm, die modernen Vorstellungen entspricht. D.h. vor allem, dass der Radius in der Gleismitte gemessen wird und die Zungen keinen Anschlagwinkel mehr haben, der Bogen also tangential zum Stammgleis verläuft.

Radius

Als nächstes wird der Radius der Weiche aufgeführt. Dabei ist keinesfalls jeder beliebige Wert möglich. Man einigte sich auf einige Standardradien, die jeweils eine bestimmte, meist auch signalisierbare Fahrgeschwindigkeit erlauben:

Abzweigradius   Vmax im Zweiggleis
190 m = 40 km/h
300 m = 50 km/h
500 m = 60 km/h
760 m = 80 km/h
1.200 m = 100 km/h
2.600 m = 120 km/h

Die drei ersten Radien wurden bereits von den Länderbahnen einheitlich benutzt, allerdings mit dem Unterschied, dass die Länderbahnverwaltungen (außer Württemberg) den Radius an der Fahrkante der bogenäußeren Schiene maßen. Seit DRG-Zeiten wird der Radius der Gleismitte angegeben. Eine preußische 190-m-Weiche hat also nach heutiger Meßweise tatsächlich nur einen Radius von 189,272 m.

Daraus und aus einer anderen konstruktiven Ausführung der Zungen ergab sich, dass Länderbahnweichen bei gleichem nominellen Radius und Abzweigwinkel deutlich kürzer sind als die Reichsbahnweichen, so dass ihr Austausch nicht ohne Arbeiten an den anschließenden Gleisen möglich war.

Der Weichenradius von 1.200 m wurde erstmals 1929 bei den Reichsbahnweichen benutzt. 760 m als Weichenradius führte die DB Anfang der 50er Jahre ein, daher gibt es diese Weiche nicht bei der DR. Eine Weiche mit 2.600 m Radius schuf die DB in den 60er Jahren. Allerneueste Zugänge im Weichenbestand der DB sind die Bauarten für 160 km/h - Radius 3.600 m - und für 200 km/h - Radius 6.000 m.

Die Länderbahnen benutzten vor Einführung der Einheitsradien jeweils eigene Radien.

Abzweigwinkel

Nach dem Radius wird der Abzweigwinkel der Weiche angegeben. Diesen Winkel in Grad zu benennen ist allerdings eine Schöpfung der Modellbahnhersteller, zumindestens in Deutschland, denn die deutschen Bahnen gaben stets den Tangens des Weichenwinkels als Maß an, anders als z.B. die Österreicher, die tatsächlich Gradangaben benutzten. Die deutsche Standardweiche hat ein Endneigung von 1 : 9, dass heißt praktisch nichts anderes, dass sich das abzweigende Gleis, wenn es hinter der Weiche gerade weitergeführt ist, vom Stammgleis auf 9 m Strecke um 1 m entfernt. Je größer also die Zahl nach dem Doppelpunkt ist, desto flacher ist die Weiche, je kleiner, desto steiler. Nicht ohne Grund wird dabei im allgemeinen und so auch hier von der "Endneigung" der Weiche gesprochen. Denn bei einem großen Teil der Weichen läuft der Bogen des abzweigenden Gleises durch das Herzstück hindurch. Der Abzweigwinkel der Weiche ist also größer als der Schnittwinkel am Herzstück. Die deutschen Weichen werden also ausdrücklich nicht nach ihren Herzstücken typisiert (anders als z.B. in den USA).

Natürlich können Radius nach und Endneigung nicht beliebig miteinander kombiniert werden; sie gehören in bestimmter Weise zusammen. Das System ist so aufgebaut, dass es zu (fast) jedem Radius zwei Weichenwinkel gibt, eine steilere Weiche, bei der der Radius durch das Herzstück läuft und eine flachere, bei der der Radius vor dem Herzstück endet, das Herzstück also gerade ist. Umgekehrt läßt sich jede Endneigung sowohl durch eine Weiche mit kleinerem Radius und geradem Herzstück erzielen als auch durch einen größeren Radius, der dann durch das Herzstück läuft. Dieses System reduziert vor allem die Zahl der erforderlichen Bauteile, angepaßt an den Verwendungszweck können, wie aus einem Baukasten, die passenden Weichen zusammengesetzt werden; außerdem lassen sich Weichen austauschen, z.B. beim Rückbau auf niedrigere Fahrgeschwindigkeiten oder beim Ausbau auf höhere, ohne dass der ganze Gleisplan geändert werden muss.

Abzweigrichtung

Hier handelt es sich einfach um die Angabe, ob das Zweiggleis rechts oder links von Stammgleis abzweigt.

Zungenbauart

Bei den Weichenzungen sind drei Bauarten möglich: Gelenkzungen, Federzungen und Federschienenzungen, wobei es verschiedene Ausführungen insbesondere bei den Gelenkzungen gibt.

Schwellenart

Auch bei den Schwellen gibt es drei Möglichkeiten der Bezeichnung: "St" steht für Stahlschwellen, "H" für Holzschwellen, "B" für Betonschwellen. "Hh" steht für Hartholz, das bedeutet, dass alle Schwellen der Weiche aus Hartholz (z.B. Eiche, Buche, auch tropische Hölzer) gefertigt sind. Die Schwellen unter dem Herzstück und unter der Zungenvorrichtung sind jedoch immer aus Hartholz, bei den übrigen Schwellen kann aus Kostengründen auch Weichholz verwendet werden.

Natürlich lassen sich die verschiedenen Bestandteile nicht beliebig kombinieren. Manche Angaben liegen bauartbedingt fest und werden deswegen oft auch weggelassen. So hatten bayrische Weichen fast immer Holzschwellen, badische hingegen stets Eisenschwellen, UIC60-Weichen weisen ausschließlich Federschienenzungen auf, S54-Weichen immer Federzungen. Die Schnellfahrweichen der DB werden durchweg mit Betonschwellen gefertigt. In Bahnhofsgleisplänen werden meist nur Radius und Weichenwinkel angegeben, manchmal, vor allem auf älteren Plänen, nur der Winkel.

Übersicht der wichtigsten Weichenformen der Deutschen Reichsbahn

Bezeichnung (jeweils rechts u. links) Radius Weichen-
winkel
Vmax im
Zweiggleis
Bemerkung
EW 49-150-1:6,6 Fsch
EW 49-150-1:6,6/5,514 Fsch
EW 49-150-1:7,5 Fsch
150 m 8,62°

7,59°
   
EW 49-190-1:9 Fsch
EW 49-190-1:7,5 Fsch
EW 49-190-1:7,5/6,6 Fsch
EW 49-190-1:7,5/6,6/6,285 Fsch
190 m 6,34°
7,59°
40 km/h gerades Herzstück
gebogenes Herzstück
gebogenes Herzstück
gebogenes Herzstück
EW 49-300-1:9 Fsch 300 m 6,34° 50 km/h gebogenes Herzstück
EW 49-500-1:12 Fsch
EW 49-500-1:12/9 Fsch
EW 49-500-1:14 Fsch
500 m 4,76°

4,09°
60 km/h gebogenes Herzstück
gebogenes Herzstück
gerades Herzstück
EW 49-1200-1:18,5 Fsch 1.200 m 3,09° 70 km/h gebogenes Herzstück
Sym ABW 49-215-1:4,8 Fsch 215 m 11,77°    
EKW 49-190-1:9 Fsch
DKW 49-190-1:9 Fsch
EKW 49-190-1:9 u. 1:9/7,5
EKW 49-190-1:9 u. 1:9/7,5/6,6
EKW 49-190-1:9 u. 1:9/7,5/6,6/6,285
EKW 49-190-1:6,6 Gz
DKW 49-190-1:6,6 Gz
190 m 6,34°
6,34°



8,62°
8,62°
40 km/h  
EKW 49-300-1:9 Gz
DKW 49-300-1:9 Gz
300 m 6,34°
6,34°



8,62°
8,62°
50 km/h  
EKW 49-500-1:9 Fsch
DKW 49-500-1:9 Fsch
EKW 49-500-1:9 u. 1:9/12 Fsch
DKW 49-500-1:9 u. 1:9/12 Fsch
DKW 49-500-1:9 u. 1:9/7,5 Fsch
DKW 49-500-1:9 u. 1:9/7,5/6,6 Fsch
DKW 49-500-1:9 u. 1:9/7,5/6,285 Fsch
500 m 6,34°
6,34°



8,62°
8,62°
60 km/h  
DW 49-190-1:9 u. 1:9 Gz
DW 49-190-1:9 u. 1:7,5 Gz
DW 49-190-1:9 u. 1:7,5/6,6 Gz
DW 49-190-1:9 u. 1:7,5/6,6/6,285 Gz
DW 49-190-1:7,5 u. 1:7,5 Gz
DW 49-190-1:7,5 u. 1:7,5/6,6 Gz
DW 49-190-1:7,5 u. 1:7,5/6,6/6,285 Gz
DW 49-190-1:7,5/6,6 u. 1:7,5 Gz
DW 49-190-1:7,5/6,6 u. 1:7,5/6,6 Gz
DW 49-190-1:7,5/6,6 u. 1:7,5/6,6/6,285 Gz
DW 49-190-1:7,5/6,6/6,285 u. 1:7,5 Gz
DW 49-190-1:7,5/6,6/6,285 u. 1:7,5/6,6 Gz
DW 49-190-1:7,5/6,6/6,285 u. 1:7,5/6,6/6,285 Gz
190 m 6,34°



7,59°
40 km/h  
Eins DW 49-190-1:9 Gz 190 m 6,34° 40 km/h  
Weichen R 65 in freier Lage        
EW 65-500-1:12 Fsch 500 m 4,76° 60 km/h  
Kreuzungen S 49 in freier Lage        
Kr 49-1:2,460
Kr 49-1:2,901
Kr 49-1:3,224
Kr 49-1:3,683
Kr 49-1:4,444
Kr 49-1:6,6
Kr 49-1:7,5
Kr 49-1:9
Kr 49-500/∞-1:7,858
Kr 49-1200/∞-1:11,515
Kr 49-1:18,5
  22,12°
19,03°
17,23°
15,19°
12,68°
8,62°
7,59°
6,34°
7,25°
4,96°
3,09°